Ansprache von Studienzweifler*innen: Peer-to-Peer Kommunikation in Social Media

Take Over

Enttabuisierung von Studienzweifel, Studienwechsel und Studienausstieg sowie die Vermittlung von Beratungsangeboten gehören zu den zentralen Anliegen des Projekts Next Career. Doch wo und wie können Studienzweifler*innen erreicht werden? Gerade dann, wenn die gängigen Wege wie Plakate und Postkarten in den Mensen durch eine weltweite Pandemie an Reichweite und damit Wirkung verlieren? Ein vielversprechender Ansatz ist hier die Peer-to-Peer Kommunikation in sozialen Netzwerken.

Jeden Herbst lässt ein bekannter Verlag über das Jugendwort des Jahres abstimmen und das mit großem Medienecho. Bis einschließlich 2018 lief der Prozess so ab: Eine Jury präsentiert eine Auswahl an Wörtern, Menschen aller Generationen stimmen im Internet ab und  am Ende werden Sieger wie „Smombie“, „fly sein“ oder „i bims“  präsentiert, was dann einen Tag zur Erheiterung in Medien und sozialen Netzwerken führt und das Wort in den aktiven Wortschatz des einen oder der anderen bringt. Kurz darauf folgen Rückmeldungen von Jugendlichen, die noch nie von diesem Wort gehört haben und es dementsprechend nicht nutzen. Erst durch die Einbeziehung der Jugendlichen durch ein neues Abstimmungsverfahren konnte da ein Wort gefunden werden, welches Verwendung im Sprachschatz junger Menschen hat.

Nun sind Studienzweifler*innen keine Jugendlichen mehr. Am ehesten können sie wohl der Generation Z zugeordnet werden (nach 1994 geboren). Auch handelt es sich nicht um eine homogene Gruppe von Menschen, im Gegenteil, sie zeichnet sich durch Heterogenität aus. Die Gründe für Zweifel können ganz unterschiedlicher Natur sein. Trotzdem gibt es entwicklungspsychologisch betrachtet kollektive Ereignisse und Erfahrungen. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob das erste gesellschaftliche „Großereignis“, das ein Mensch erlebt, die Mondlandung, der Mauerfall oder der Bankencrash 2008 ist und durch welche Möglichkeiten und digitalen Tools die Zeit der Kindheit und Jugend geprägt ist.

Einen sehr empfehlenswerten Vortrag hat hierzu Prof. Dr. Margarete Imhof an der Universität zu Köln gehalten, der hier auf YouTube zu sehen ist. Teil derselben Generation zu sein, ermöglicht es, auf ähnliche Erfahrungen zurückzugreifen und ähnliche Sprachcodes zu nutzen. Das als früher geborene Generation zu imitieren ist nicht notwendig (und auch nicht ratsam). Eine Kommunikation, die die Perspektive wechselt und auf Augenhöhe stattfindet, hat allerdings Vorteile.

Was ist Peer-to-Peer Kommunikation?

In vielen Kommunikationsmomenten empfiehlt es sich, aus der Zielgruppe heraus zu denken. Von einem „Das ist unser Angebot, wie bekomme ich es kommuniziert“ hin zu den Fragestellungen „Was sind die Bedürfnisse und Herausforderung der Zielgruppe(n) und welche Antworten können unsere Angebote darauf bieten?“ Noch näher dran ist es, nicht aus der Zielgruppe heraus zu denken, sondern selbst Teil der Zielgruppe zu sein. Peer-to-Peer Kommunikation meint genau das: zwei Gleichgestelle kommunizieren miteinander. Wenn Gleichaltrige miteinander sprechen, benutzen sie ähnliche Sprachcodes und versuchen Unterschiede auszugleichen. Sie referieren auf ähnliche Erfahrungsmomente und Kontexte. Studierende, die von ihren Erfahrungen berichten oder auf Beratungsangebote hinweisen, können dadurch eine andere Wirkung erzielen als Kommunikationsexpert*innen oder Hochschulmitarbeitende. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, Kontrolle abzugeben und Freiräume zu lassen. Wenn Studierenden gesagt wird, was sie sagen sollen, geht dieser Effekt verloren. Wie kann das in der Praxis funktionieren und auf welchen Kanälen?

Instagram, Snapchat, YouTube, TikTok, Facebook – Wo denn überhaupt?

Grundsätzlich ist es möglich, auf allen sozialen Plattformen mit Peer-to-Peer Kommunikation zu arbeiten. Jedes soziale Netzwerk hat allerdings seine eigenen Regeln, nach denen es funktioniert (dementsprechend auch der Content) und nicht jedes erfreut sich der gleichen Beliebtheit. Auch ist natürlich eine Frage, welche Netzwerke nutzt die Hochschule bereits und wie können Kapazitäten möglichst sinnvoll gebündelt werden. Egal welche Social Media-Studie man derzeit konsultiert (zum Beispiel hier), ein Netzwerk erfreut sich in der Altersgruppe der Studierenden (neben WhatsApp und YouTube) besonderer Aufmerksamkeit: Instagram. Auch haben die meisten Hochschulen inzwischen mindestens einen Account auf dieser Plattform. Sollte hier die Kapazität nur für eines reichen, empfiehlt es sich, Instagram in den Fokus zu nehmen, dort und auf YouTube können aktuell die höchste Reichweite erlangt werden.

Takeover als Mittel der Wahl

Auf Instagram bietet es sich an, mit einem sogenannten Takeover zu arbeiten. Bei einem Takeover übernimmt eine außenstehende Person den Social Media Account und interagiert dort mit der Community und postet im Auftrag der Kanalbesitzenden. Dabei ist offen, ob der Kanal vollständig übergeben wird oder die zu veröffentlichenden Medien zugesendet werden. Letzterer ist der sicherere und empfehlenswertere Weg. Nicht wenige Hochschulen haben diese Erzählform für sich bereits entdeckt. Besonders häufig wird das Takeover genutzt, um Schüler*innen Einblicke in mögliche Studiengänge zu geben oder Orientierungshilfen für Erstis zu schaffen. Es lassen sich aber auch bemerkenswerte Beispiele zum Themenkomplex Studienzweifel finden.

Auf dem Instagram-Account der TU Dortmund berichten zwei Studienwechslerinnen von ihren Erfahrungen. Auch die Community kommt zu Wort und erzählt von ihren Zweifeln. Dabei bleibt es nicht bei der Enttabuisierung, sondern auch eine Veranstaltung für Studienzweifler*innen wird in die „Story“ integriert. Auch die Universität Bonn nutzt Peer-to-Peer Kommunikation um die „Digitale Themenwoche Studienzweifel anzukündigen“, auch hier kommen zwei Studienwechsler*innen zu Wort und erzählen von ihren Erfahrungen.

Weitere gut denkbare Einsatzmöglichkeiten sind hier zum Beispiel die unterschiedlichen Beratungsmöglichkeiten der Hochschule von eine*r studentischen Reporter*in vorstellen zu lassen, mit selbst entwickelten Fragen oder eine Veranstaltung wie eine „FuckUp-Night“ live begleiten zu lassen.

Eine Frage ist natürlich: Wie finde ich Studierende die bereit sind, auf Instagram ein Takeover zu übernehmen. An manchen Hochschulen gibt es hier bereits etablierte Wege. So hat die die FU Berlin ein Formular entwickelt. Studienzweifler*innen zu finden ist allerdings nochmals eine größere Herausforderung. Am erfolgversprechendsten ist es, persönliche Kontakte zu nutzen. Kennt die Werkstudentin jemanden, der jemanden kennt? Ist die*der Speaker*in von der FuckUp-Night vielleicht dazu bereit? Alternativ können aber auch die Fachschaften und Asten angefragt werden oder –  wie das oben verlinkte Beispiel der Uni Bonn zeigt –  auch die Hochschulmedien. Da Zweifel am Studium kein Randphänomen sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch hier die eine oder der andere mit diesem Konflikt zu kämpfen hatte.

2020 wurde mit neuem Abstimmungsverfahren das Wort „lost“ zum Jugendwort des Jahres gewählt. Ein Gefühl das sicher auch vielen Studienzweifler*innen bekannt ist. Wenn es darum geht sie dort zu erreichen, wo sie sind, in einer Kommunikationsform, die sie rezipieren, ist ein Takeover auf Instagram ein erfolgversprechender Weg.

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