Es muss nicht immer ein Studium sein

Nach einem Studienabbruch birgt eine Berufsausbildung einen attraktiven Perspektivenwechsel

Es muss nicht immer ein Studium sein

Ist das Abi erst einmal in der Tasche, steht für viele junge Erwachsene fest: Ich will studieren! Doch über Studienfach, – form und -ort bestehen oft Unklarheiten. Der strikte Lehrplan an den Gymnasien bereitet die Schüler*innen zwar auf die Abiturprüfung vor, lässt jedoch nur wenig Raum für praktische Erfahrungen und eine angemessene Unterstützung bei der Berufsorientierung. Die Möglichkeit einer beruflichen Ausbildung wird von vielen Schüler*innen mit Hochschulreife oft nicht in ihre Überlegungen miteinbezogen. Nach dem Studienabbruch stellt die Berufsausbildung jedoch eine attraktive Alternative für die jungen Menschen dar.

Dies hat eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). herausgestellt, welche durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. Untersucht wurde die Attraktivität der beruflichen Ausbildung bei Studienabbrecher*innen, basierend auf den Ergebnissen einer Befragung von Exmatrikulierten des Sommersemesters 2014. Es zeigte sich, dass zwei Drittel der Studienaussteiger*innen den Weg in eine Berufsausbildung wählen. Die Aufnahme einer Ausbildung stellt somit die wichtigste Tätigkeitsalternative nach einem Studienabbruch dar.

Hierbei handelt es sich laut der DZHW-Studie nicht um eine kurzfristige Übergangslösung, sondern vielmehr um eine bewusst gefällte Entscheidung und eine langfristige Zukunftsperspektive. Zweieinhalb Jahre nach ihrem Studienabbruch hatten rund ein Viertel der Exmatrikulierten einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben. Lediglich 3 Prozent der Befragten brach die Ausbildung ab.

Ausschlaggebend für die Neuorientierung der Studienabbrecher*innen sind insbesondere die günstigeren Ausbildungsbedingungen. Im Kontrast zum theorielastigen Studium wirkt besonders der starke Praxisbezug attraktiv auf die jungen Menschen. Eine berufliche Ausbildung ermöglicht es ihnen, sich in der realen Arbeitswelt auszuprobieren, den praktischen Wert ihrer Tätigkeit zu erkennen und so Selbstwirksamkeit zu erfahren. Aspekte, die auch für Lisa Spieker von Relevanz waren: Sie brach ihr Studium der Elektrotechnik sowie das darauffolgende Physikstudium nach einigen Misserfolgen und Studienzweifeln ab. Im Anschluss an ein dreimonatiges Praktikum entschied sie sich schließlich für eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Nach dem Studium, in dem die Theorie meinen Alltag bestimmte, war die Arbeit genau das Gegenteil. Nach all der Zeit, in der ich hart gearbeitet und wenig positive Rückmeldung bekommen hatte, ging mir endlich wieder etwas leicht von der Hand und machte mir Spaß.“ (Lisas Geschichte kannst du hier nachlesen). Eine Entwicklung, die durch eine intensive Betreuung während der beruflichen Ausbildung gefördert wird.

Ein wesentliches Motiv für den Beginn einer Ausbildung stellt für Studienabbrecher*innen zudem der Ausblick auf einen schnell erreichten Abschluss dar. Dieser birgt laut der Einschätzung der Studienteilnehmenden bessere Arbeitsmarktchancen als ein vermeintlich theorielastiges und arbeitsmarktfernes Studium. Ihre späteren Berufschancen stellen für die 22-jährige Isabell Stollenwerk das ausschlaggebende Kriterium für ihren Studienausstieg dar. Nach zwei Semestern im Germanistik- und Anglistik-Studium ist die anfängliche Motivation verschwunden und es stellen sich Zukunftsängste ein: „Mich störte das Gefühl, nicht aufs Arbeitsleben vorbereitet zu werden. Dass eine Freundin von mir, die grade ihren Master in Germanistik mit Bestnoten in der Tasche hatte, auch nach langer Suche keinen Job fand, verstärkte diese Ängste nur noch.“ Isabell orientiert sich an ihrem lang gehegten Berufswunsch und beginnt eine Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation.

Finanzielle Faktoren und der hohe Leistungsdruck im Studium spielen eine wesentliche Rolle in der Phase der Neuorientierung. Obgleich viele Studienabbrecher*innen die Vorteile einer beruflichen Ausbildung wahrnehmen, schreiben sie dieser auch einige Nachteile im Vergleich zu einem erneuten Studium zu. Hierzu zählen unter anderem weniger Gestaltungsmöglichkeiten in der Ausbildung und ein geringeres Maß der Selbstverwirklichung. Auch die Einkommens- und Karrierechancen sowie das Ansehen in der Gesellschaft wird von den Exmatrikulierten schlechter eingeschätzt. Der Erwerb beruflicher Handlungs- und Problemlösekompetenz – und damit einhergehend der praktische Nutzen des gewählten Ausbildungswegs – wird jedoch als gleichwertig empfunden. Aus den Ergebnissen der DZHW-Studie lassen sich nicht nur Erkenntnisse über die Attraktivität der beruflichen Ausbildung sowie mögliche Motive der Studienabbrecher*innen ableiten, sie lassen auch Rückschlüsse auf Hürden im Übergangsprozess zu. So weisen die Exmatrikulierten, die sich oftmals über ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten im Unklaren sind, einen erhöhten Informationsbedarf auf. Wichtig sind in dieser Phase der Neuorientierung nicht nur individuelle Beratungsangebote, sondern auch praktische Erfahrungen in potenziellen Ausbildungsbereichen.Wenn auch du überlegst dich umzuorientieren, kann eine professionelle Beratung dich bei deiner Entscheidung unterstützen. Welches Angebot in deiner Nähe existiert, erfährst du hier: Hilfsangebote finden.

Quelle:

Heublein, U., Hutzsch, C., König, R., Kracke, N., Schneider, C. (2018).
Die Attraktivität der beruflichen Bildung bei Studenabbrecherinnen und Studienabbrechern. (Reihe Berufsbildungsforschung, Band 18). Berlin: BMBF.

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