Fachkräftemangel: Warum Studienabbrecher*innen für Ihr Unternehmen spannend sind

207.000 unbesetzte Ausbildungsstellen im Jahr 2019. Auf der Suche nach Nachwuchskräften entdecken immer mehr Unternehmen Studienaussteiger*innen als Zielgruppe. Wir haben mit dem Leiter der Kaiserswerther Diakonie Torsten Edelkraut* gesprochen und gefragt, was Studienabbrecher*innen für Unternehmen attraktiv macht.

Herr Edelkraut, die Kaiserswerther Diakonie bietet Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für unterschiedliche Berufe an. Gibt es Aspekte, auf die Sie in einer Bewerbung besonders achten?

Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass man erkennt, dass sich die Person Mühe mit der Bewerbung gegeben hat. Das erkennt man schon daran, dass die Formalitäten stimmen. Das heißt, dass die Unterlagen vollständig sind, die Rechtschreibung und Grammatik korrekt ist und der/die richtige Ansprechpartner*in ausgewählt wurde.
Wir möchten in der Bewerbung sehen, dass jemand Lust auf die Stelle hat und dies im Anschreiben deutlich wird.

Vielen Studierenden wird vermittelt, dass ein geradliniger Lebenslauf für die berufliche Karriere unerlässlich ist. Macht es bei Ihrer Auswahl von Bewerber*innen einen Unterschied, ob diese den Studiengang im Studienverlauf gewechselt oder abgebrochen haben?

Nein. Bei uns gibt es keine festgelegten Kriterien, wie ein Lebenslauf aussehen muss.
Für uns ist es wichtig, dass ein Lebenslauf transparent ist und ich nicht das Gefühl bekomme, dass etwas verschwiegen wird. Man sollte den bisherigen Werdegang erkennen können, ohne dafür aufwendig recherchieren zu müssen. Wie die einzelnen Schritte auf dem Lebenslauf entstanden sind, kann der/die Bewerber*in im Anschreiben erklären. Ein Studienwechsel oder -abbruch allein hat keinen Einfluss darauf, ob man zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird oder nicht.

Warum sind auch Studienaussteiger*innen als Bewerber*innen interessant?

Wir machen häufig die Erfahrung, dass Studienaussteiger*innen besser wissen, was sie wollen und vor allem auch was sie nicht wollen. Ein Großteil der Abiturient*innen steigt zunächst ins Studium ein, auch wenn einige im Verlauf merken, dass sie es nicht fortführen wollen. Diese Personen sind interessant, da sie Entscheidungen noch mal auf eine andere Art und Weise treffen. Sie haben Einblicke in andere Bereiche gehabt und treffen bewusster die Entscheidung eine Ausbildung anzufangen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Studienaussteiger*innen oft motivierter sind, ihre Ausbildung auch abschließen.
Zudem sind Sie häufig schon an das selbstständige Arbeiten gewöhnt, was im praktischen Teil vorteilhaft sein kann.

Was bringt ein/e Studienaussteiger*in mit, was jemand der sich direkt nach der Schule für eine Ausbildung entscheidet vielleicht nicht mitbringt?

In der Regel bringen sie, neben einem leicht höheren Lebensalter, auch einen höheren Schulabschluss mit. Das ist für das Ausbildungsniveau natürlich gut. Die Allgemeine Hochschulreife ist zwar nicht zwingend erforderlich für eine Ausbildung, aber viele unterschätzen das Ausbildungsniveau. Außerdem gehen sie aufgrund ihrer Erfahrung mit einer anderen Motivation an die Ausbildung heran.

In den letzten Jahren fällt es besonders Unternehmen in der Pflege, im Handwerk und im technischen Bereich schwer, ausreichend Auszubildende zu finden.
Wie gehen Sie dabei vor und was können sie anderen Unternehmen empfehlen um potenzielle Auszubildende und Studienabbrecher*innen gezielt anzusprechen?

Prinzipiell denke ich, dass es wichtig ist, sich als Unternehmen der Zielgruppe der Studienaussteiger*innen bewusst zu werden und sich Kontaktaufnahmemöglichkeiten zu überlegen.
Eine konkrete Lösung dafür haben wir selbst noch nicht, aber wir versuchen Kontakte zu verschiedenen Hochschulen aufzubauen, unsere Netzwerke weiterzuentwickeln und an Veranstaltungen und Informationsabenden teilzunehmen. Es geht uns nicht darum, die Personen direkt zu einer Bewerbung zu bringen, sondern darum, mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten und ihnen Alternativen aufzuzeigen.

Zur Person: Torsten Edelkraut ist Leiter des Bildungszentrums für Gesundheitsfachberufe der Kaiserswerther Diakonie. Nach seinem Abitur und dem Zivildienst im Krankenhaus, begann er sein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Geschichte. Nach dem zweiten Semester brach er das Studium ab und nahm eine Ausbildung in der Pflege auf. Mit seiner abgeschlossenen Ausbildung arbeitete er einige Zeit im Pflegebereich bis er sich dazu entschied, erneut zu studieren, um seine beiden Interessen, die Lehre und die Begeisterung für die Pflege, zu kombinieren.

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