Von fremden Worten und Fremdworten
Studienzweifel im neuen Land
Ein Studium im Ausland zu absolvieren ist eine besondere Herausforderung. Zu Studienbeginn müssen nicht nur neue Theorien und Fachbegriffe gelernt werden, sondern auch die Sprache, in der Dozierende sie vermitteln. In Deutschland studierten 2019 knapp 400.000 ausländische Studierende – einer von ihnen ist Antoan aus Bulgarien. Er wagt den Schritt nach Deutschland für ein BWL Studium, doch auch nach einigen Semestern springt der Funke nicht über. Was tut man, wenn man im Studium viel investiert und wenig gewinnt? Wie findet man neue Orientierung in der Hochschulwelt?
Studieren ist für viele junge Leute ein selbstverständlicher Schritt nach der Schule – zumindest war es bei mir so, als ich mit dem Abi fertig war. Alle Gleichaltrigen dachten, dass man nach der Schule irgendetwas studieren muss und die Vorstellung, mit 18 nicht ganz sicher zu sein, was man mit seinem Leben anfangen möchte, schien weit hergeholt. Nachdem ich in nach Deutschland gekommen war, um BWL zu studieren, hatte ich viele Fragen im Kopf:
War es eine gute Idee, mein Studium in einer fremden Sprache zu absolvieren? Verschwende ich hier meine Zeit? Ist BWL wirklich das, was ich in meinem Leben machen möchte? Bin ich der Einzige, den zu Beginn des Studiums diese Zweifel plagen?
Ich habe mein Studium an der Universität zu Köln 2015 mit viel Aufregung und Hoffnung begonnen. BWL ist stets ein beliebtes Studienfach bei Schulabsolvent*innen aus Bulgarien, die sich für ein Studium in Deutschland interessieren – deswegen habe ich mir zunächst keine großen Gedanken über meine Studienwahl gemacht. Am Anfang besuchte ich fleißig alle Vorlesungen, Übungen und Tutorien, machte mir Notizen und war aufgeregt, mein erstes Semester als Student zu verbringen. Doch die Zeit war auch nicht einfach: Deutsch war in der Schule meine zweite Fremdsprache und ich hatte Probleme, den Lernstoff zu verstehen.
Die Hörsäle waren riesengroß und die Veranstaltungen wurden von über 200 Studierenden besucht. Behandelt wurde Theorie, Theorie und nochmals Theorie. Die Vorlesungen und Übungen waren zwar hilfreich, doch man konnte nicht viel mit den Professor*innen reden, kam nicht in den Austausch, konnte die eigene Ideen und Gedanken nicht mitteilen. Es fehlte der persönliche Bezug.
Ich studierte Mathe, Rechnungswesen, Statistik, Mikroökonomie, Wirtschaftsrecht und all das in einer fremden Sprache. Meine Studienkolleg*innen aus Bulgaren hatten ähnliche Probleme, deshalb dachte ich: „Das ist nur, weil wir im ersten Semester sind, später wird es besser.“ Dann kam die erste Klausurphase: Für zwei Monate habe ich jeden Tag zwischen 6 und 10 Stunden nur gelernt. Ich war mir sicher, dass ich auf die Prüfungen gut vorbereitet bin. Trotzdem erzielte ich nicht die Ergebnisse, die ich mir erhofft hatte.
So lief mein Studium noch einige Semester weiter, bis ich zu der Erkenntnis gelangte, dass ich keine Fortschritte machte und was noch schlimmer war – ich fühlte mich gar nicht mehr wohl mit meiner Entscheidung.
Doch sollte ich diese Chance wirklich aufgeben, nachdem ich all die Zeit und Mühe und meine Familie Geld in meine Zukunft investiert hatten? Wäre es nicht besser das Studium ganz abzubrechen als zu wechseln? Und wenn ich wechseln würde, in welche Richtung? Sollte ich einfach verschiedene Studiengänge ausprobieren, bis ich etwas Interessanteres mit guter Zukunftsperspektive finden würde?
Alles änderte sich als meine Freundin ein neues Studium anfing: International Business an der Technische Hochschule Köln. Ich recherchierte das Studienfach online und las Reviews von Studierenden. Außerdem habe ich Kommiliton*innen kennengelernt, die ebenfalls vom BWL Studium in den Studiengang International Business gewechselt hatten und fragte sie, ob sie zufrieden sind.
Tatsächlich hörte sich dieser Studiengang ganz zu meinen Interessen passend an und es dauerte nicht lange bis ich mein Studium wechselte. Im Oktober 2018 habe ich International Business angefangen. Die Vorlesungen sind meistens in viel kleineren Gruppen im Vergleich zu der Uni und wir haben direkten Kontakt mit den Professor*innen, etwas, das mir wichtig war. Es gibt auch die Möglichkeit, die Professor*innen direkt anzusprechen. Zusammenarbeit, die ich früher als kontaktfreudiger Mensch sehr vermisst habe, steht im Fokus und am wichtigsten: Mehr Praxisbezug und Projekte. Jetzt bin ich bereits am Ende meines Bachelorstudiums angelangt und der Meinung, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Das schwerste an einem Studienwechsel ist bestimmt der Gedanke, dass man nicht nur sich selbst, sondern auch die eigene Familie enttäuscht, dass man für die investierte Zeit und das Geld nichts erreicht hat.
„Habe ich nur meine Zeit verschwendet?“, fragen sich viele junge Menschen, die an ihrer Berufs- oder Studienwahl zweifeln. Doch wir lernen im Verlauf unseres Lebens, was uns gefällt und was uns wichtig ist. Und keiner kann nur richtige Entscheidungen treffen. Was wichtig ist, ist Fortschritte zu machen.