Erst die Zweifel, dann die Professur

Wie viele Frauen ihrer Generation hat die in den 1970ern geborene Petra Kleinbongard Biologie studiert. Weil ihr das Fach in der Schule so viel Freude gemacht hat. Doch das Studium empfindet sie als Enttäuschung – zweifelt und zögert vor allem den Abschluss hinaus. Heute, rund 20 Jahre nach dem Diplomabschluss, leitet sie stellvertretend das Institut für Pathophysiologie am Uniklinikum in Essen und erforscht, wie das Herz besser vor Schäden durch einen Infarkt geschützt werden kann. Und sie macht anderen Mut, sich nicht die Begeisterung für ein Fach nehmen zu lassen.

Petra Kleinbongard ist eine Frau, die sich andere sofort als Mentorin wünschen. Zumindest sagen das ihre Mitarbeiterin und ihr Doktorand über sie. „Die Kleinbongard ist einfach mega!“ – so das eindeutige Urteil. Sie fordert und fördert. Ist an den passenden Stellen streng und konsequent. Verliert aber nie die Herzenswärme. Und sie steht für ihre Überzeugungen ein. Außerdem sei sie mitten im Team, immer ansprechbar und helfe immer auch mitten im Versuch, wenn jemand Unterstützung braucht. Über wen das eigene Team so spricht, der hat es im Grunde geschafft. Fachlich herausragend, menschlich nahbar und sympathisch. Und immer noch getrieben von der Motivation, die Welt ein bisschen besser zu machen.

Abzusehen war der Werdegang von Prof. Dr. Kleinbongard dabei nicht. Das Fach Biologie hat sie zwar aus voller Überzeugung heraus als Studium ausgesucht, weil ihr das Thema schon in der Schule zugesagt hat. Doch dann folgte ein langes Studium an der Ruhr-Universität Bochum, das durchaus mit Unsicherheiten und Zweifeln verbunden war. „Ich war zu Beginn sehr enttäuscht“, erinnert sie sich. „Wir haben viel Botanik und Zoologie gemacht – dabei hat es mich nicht allzu sehr interessiert, wie die Bäume und Pflanzen heißen.“ Eigentlich wollte sie lieber in die Biologie und die Physiologie der Tiere und Menschen eintauchen.

Auch die Tatsache, dass die Professor*innen damals die intrinsische Motivation der Studierenden vor allem mit Dystopien des beruflichen Werdegangs prüfen wollen, hat nicht zu einem reibungslosen Studienverlauf geführt: „Unsere Dozenten zeichneten nur Horrorszenarien nach dem Motto ‚Entweder frisst euch eines Tages die Maschine der Medizin oder ihr werdet arbeitslos.‘“, erzählt sie. „Ehrlich gesagt: Ich habe wirklich lange studiert, ich jobbte lieber nebenbei im Ökoladen oder verbrachte meine Zeit mit Jugendarbeit.“

Ihr Antrieb: Mit der Biologie die Welt retten

Dass sie kurz vor ihrem Diplom noch den „Thrill“, wie sie es nennt, in der Medizin fand, hat sie einem Praktikum zu verdanken. „Damals forschte ich an Parasiten, die die Schlafkrankheit übertragen. Eine wirklich schreckliche Krankheit, an der noch immer tausende Menschen sterben müssen. Das war mir so gar nicht klar gewesen. Und ich merkte, dass es Biologie gibt, die wirklich relevant ist. Und dass die Medizin – obwohl sie mir so verteufelt worden war – doch sehr toll ist.“

Mit der Biologie die Welt retten – sie hätte sich kein höheres Ziel stecken können. Tatsächlich fand sie ihre eigentliche Bestimmung, wenn man es so nennen mag, in der Kardiologie, also der Wissenschaft, die sich mit dem Herzen beschäftigt. Und auch hier zeigt sich, dass es nicht immer der klare, geplante Weg ist, der zum Ziel führt. „Nach dem Diplom habe ich mich arbeitssuchend gemeldet. Und deswegen musste ich zu einem Vorstellungsgespräch ans Uniklinikum Düsseldorf. In die Kardiologie. Nicht dass was ich mir vorgestellt hatte. Der zuständige Arzt zeigte mir alles, erklärte mir die Probleme und Fragestellungen und sagte, ich könnte ihm dabei helfen, diese zu lösen. Da war es um mich geschehen.“

Kardioprotektion: Der Schutz des Herzens

Heute, gut 20 Jahre später, steht sie im Labor des Uniklinikums Essen und wirkt so, als wäre von Anfang an klar gewesen, dass sie hier eines Tages sein wird. Sie sagt über sich, dass sie sich als Frau durchaus hat durchbeißen müssen. „Wir ticken wirklich anders als Männer. Es gibt viele Verhaltensmuster, die ich bei Männern nicht so gut finde, aber einiges konnte und musste ich von ihnen lernen.“ Der viel zitierte gewisse Biss. Dabei treibt sie weder die Gier nach Macht, Status oder Geld an. Sie ist getrieben von ihrer Neugier und dem Wunsch, etwas Bedeutsames zu hinterlassen. Konkret möchte sie mit ihrer Arbeit helfen, dass es Menschen nach einem Herzinfarkt eines Tages besser geht als heute – vielleicht sogar dafür sorgen, dass weniger Menschen aufgrund eines Infarkts sterben.

Dazu erforscht sie mit ihrem Team von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, Biologisch Technischen Assistent*innen sowie Doktorand*innen und anderen Absolvent*innen die Schutzmechanismen des Herzens. Denn der Körper schützt die Herzzellen bei einem Infarkt selbst. Die Idee: Wenn die Mechanismen entschlüsselt sind, können Menschen ab einem gewissen Alter oder während einer Herz-Operation mit diesen Mechanismen behandelt werden. Damit es ihnen nach dem Infarkt besser geht als bisher.

Was zählt? Sich selbst treu bleiben

Damit die Forschung an diesem Thema auch noch in Zukunft vorangetrieben wird, bemüht sie sich schon heute um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ihr ist klar, dass eine Karriere im Klinikumfeld eine spezielle Persönlichkeit voraussetzt. „Unseren jungen Bachelor-Studierenden möchte ich schon jetzt zeigen, wie sie sich in dieser Welt zurechtfinden können. Allerdings mache ich das nur, wenn ich merke, dass der- oder diejenige wirklich motiviert ist. Denn nur mit dem eigenen Antrieb schaffen sie es, sich in der Wissenschaft zu behaupten.“

Aus ihrer Sicht ist es völlig in Ordnung, wenn Studierende merken, dass die wissenschaftliche Karriere nicht der richtige Weg ist. Es sind schließlich auch Stärke und Mut vonnöten, um zu erkennen, dass der bisher eingeschlagene Weg einen nicht glücklich macht. „Sich neu zu orientieren und sich dabei selbst treu zu bleiben, ist doch viel bemerkenswerter als ein schnurgerader Lebenslauf.“

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