Interview: Der Studienabbruch im Lebenslauf
Warum du für Unternehmen spannend bist – und sie für dich
Du hast dein Studium abgebrochen und möchtest dich nun für Ausbildungsplätze bewerben? Hast du Schwierigkeiten, deinen Studienabbruch in deiner Bewerbung zu thematisieren, weil du befürchtest, dass du schlechtere Chancen hast? Dann geht es dir wie vielen anderen Studienabbrecher*innen auch. Um diesen Befürchtungen entgegenzuwirken, hat Torsten Edelkraut, Leiter des Bildungszentrums für Gesundheitsfachberufe der Kaiserswerther Diakonie und Studienabbrecher, einige Tipps für dich. Er erzählt im Interview, wie du deinen Studienabbruch am besten in einer Bewerbung präsentierst und wieso Studienabbrecher*innen als Auszubildende sehr interessant für Unternehmen sein können.
Herr Edelkraut, die Kaiserswerther Diakonie bietet Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für unterschiedliche Berufe an. Gibt es Aspekte, auf die Sie in einer Bewerbung besonders achten?
Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass man erkennt, dass sich die Person Mühe mit der Bewerbung gegeben hat. Das erkennt man schon daran, dass die Formalitäten stimmen. Das heißt, dass die Unterlagen vollständig sind, die Rechtschreibung und Grammatik korrekt ist und der/die richtige Ansprechpartner*in ausgewählt wurde.
Wir möchten in der Bewerbung sehen, dass jemand Lust auf die Stelle hat und dies im Anschreiben deutlich wird.
Vielen Studierenden wird vermittelt, dass ein geradliniger Lebenslauf für die berufliche Karriere unerlässlich ist. Macht es bei Ihrer Auswahl von Bewerber*innen einen Unterschied, ob diese den Studiengang im Studienverlauf gewechselt oder abgebrochen haben?
Nein. Bei uns gibt es keine festgelegten Kriterien, wie ein Lebenslauf aussehen muss.
Für uns ist es wichtig, dass ein Lebenslauf transparent ist und ich nicht das Gefühl bekomme, dass etwas verschwiegen wird. Man sollte den bisherigen Werdegang erkennen können, ohne dafür aufwendig recherchieren zu müssen. Wie die einzelnen Schritte im Lebenslauf entstanden sind, kann der/die Bewerber*in im Anschreiben erklären. Ein Studienwechsel oder -abbruch allein hat keinen Einfluss darauf, ob man zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird oder nicht.
Wie sollten Bewerber*innen ihren Abbruch oder Wechsel am besten im Lebenslauf/ in der Bewerbung thematisieren?
Wie schon erwähnt, ist uns Transparenz in einer Bewerbung sehr wichtig. Eine gute Möglichkeit ist es offensiv mit der Situation umzugehen und diese schon im Anschreiben zu thematisieren. In diesem kann man den Wechsel oder Abbruch gut integrieren und deutlich machen, mit welcher Motivation dieser passiert ist. War es eine „Ich will weg von“– oder eine „Ich will hin zu“–Motivation? Hat der/die Bewerber*in gemerkt, dass das Studium nicht passt, oder ist dem/der Bewerber*in klar geworden, was er/sie alternativ machen will?
Sich bewusst für einen neuen Weg zu entscheiden und diesen einzuschlagen ist für mich völlig legitim und in Ordnung.
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch das Recht hat sich auszuprobieren und festzustellen, dass man sich lieber anderweitig orientieren möchte. Grundsätzlich finde ich, dürfen Menschen auch unterschiedliche Wege gehen und sich noch mal anders entscheiden im Leben.
Warum sind auch Studienaussteiger*innen als Bewerber*innen interessant?
Wir machen häufig die Erfahrung, dass Studienaussteiger*innen besser wissen, was sie wollen und vor allem auch was sie nicht wollen. Ein Großteil der Abiturient*innen steigt zunächst ins Studium ein, auch wenn einige im Verlauf merken, dass sie es nicht fortführen wollen. Diese Personen sind interessant, da sie Entscheidungen noch mal auf eine andere Art und Weise treffen. Sie haben Einblicke in andere Bereiche gehabt und treffen bewusster die Entscheidung eine Ausbildung anzufangen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Studienaussteiger*innen oft motivierter sind, ihre Ausbildung auch abschließen.
Zudem sind Sie häufig schon an das selbstständige Arbeiten gewöhnt, was im praktischen Teil vorteilhaft sein kann.
Was bringt ein/e Studienaussteiger*in mit, was jemand der sich direkt nach der Schule für eine Ausbildung entscheidet vielleicht nicht mitbringt?
In der Regel bringen sie, neben einem leicht höheren Lebensalter, auch einen höheren Schulabschluss mit. Das ist für das Ausbildungsniveau natürlich gut. Die Allgemeine Hochschulreife ist zwar nicht zwingend erforderlich für eine Ausbildung, aber viele unterschätzen das Ausbildungsniveau. Außerdem gehen sie aufgrund ihrer Erfahrung mit einer anderen Motivation an die Ausbildung heran.
Welchen Tipp würden Sie einem/einer Studienaussteiger*in zum Umgang mit dem Thema „Abbruch“ in einem Bewerbungsgespräch geben?
Mein Tipp ist: Ehrlich und transparent damit umgehen. Denn, ein Abbruch ist kein Makel, sondern eine bewusste Entscheidung für einen neuen Weg. Es gibt Gründe, diese Entscheidung zu treffen und diese sind auch gut. Diese Gründe sollte man im Bewerbungsgespräch nennen und erläutern. Betrachtet einen Abbruch nicht aus der Perspektive des Scheiterns, führt euch vor Augen was ihr gelernt habt, nutzt diese Erkenntnisse zur Zielfindung und vermittelt das eurem Gegenüber. Zeigt im Gespräch, dass der Studienabbruch positiv für euch war. Es hilft, sich vorher Gedanken über das Thema zu machen und dieses auch offensiv zu teilen.
Warum ist eine Ausbildung interessant für Studienabbrecher*innen?
Ich glaube, sie ist eine gute Basis, um darauf eine weitere Karriere aufzubauen. Bei uns im Gesundheitswesen schlägt man mit einer Ausbildung einen absolut krisensicheren Berufsweg ein und hat eine 100%ige Chance einen Job zu finden. Außerdem hat man nach einer Ausbildung viele Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln und weiterzubilden.
Anders als im Studium, wendet man das Erlernte hier auch praktisch an. Die Arbeit mit Menschen kann einem viel geben und zu einer persönlichen Weiterentwicklung beitragen.
Ein weiterer attraktiver Aspekt ist natürlich auch die Vergütung. Während einer Ausbildung verdient man Geld und ist dadurch schon früh unabhängig und lernt auf eigenen Füßen zu stehen.
Haben Sie abschließend noch einen Ratschlag, den Sie Studienzweifler*innen mit auf den Weg geben möchten?
Habt den Mut eine Entscheidung zu treffen. Ihr müsst euch nicht nach gesellschaftlichen Normen richten, sondern solltet den Weg einschlagen, der für euch richtig ist.
Zur Person: Torsten Edelkraut ist Leiter des Bildungszentrums für Gesundheitsfachberufe der Kaiserswerther Diakonie. Nach seinem Abitur und dem Zivildienst im Krankenhaus, begann er sein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Geschichte. Nach dem zweiten Semester brach er das Studium ab und nahm eine Ausbildung in der Pflege auf. Mit seiner abgeschlossenen Ausbildung arbeitete er einige Zeit im Pflegebereich bis er sich dazu entschied, erneut zu studieren, um seine beiden Interessen, die Lehre und die Begeisterung für die Pflege, zu kombinieren.