Studienaussteiger*innen und die verkürzte Ausbildung: Vorteile und Voraussetzungen

Wenn Unternehmen Studienaussteiger*innen einstellen, ist das für beide Seiten ein Vorteil: Studienaussteiger*innen erhalten eine neue Perspektive und Unternehmen engagierte Mitarbeiter*innen, die Vorwissen und Lebenserfahrung mitbringen. Besonders spannend ist für beide Seiten auch die Möglichkeit, die Ausbildung zu verkürzen. Doch welche Voraussetzungen müssen die Studienaussteiger*innen erfüllen und was müssen Unternehmen beim Verkürzungsantrag beachten?

Sechs, zwölf oder achtzehn Monate weniger – Von einer “Turboausbildung” profitieren Unternehmende und Auszubildende gleichermaßen. Studienaussteiger*innen haben nicht nur das Abitur und Vorwissen aus dem Studium in der Tasche, welches sie in ihrem Ausbildungsunternehmen einsetzen können. Sie können auch schneller ausgebildet werden.

„Unternehmen sehen in Studienaussteiger*innen den Vorteil, dass Sie häufig bereits eine persönliche Reife mitbringen, bedingt auch teilweise durch das höhere Einstiegsalter zum Start der Ausbildung. Außerdem haben sie vorherige Lebens- /und Arbeitserfahrung z.B. durch Nebenjobs und durch den Ausstieg aus dem Studium ein hohes Maß an Motivation sich der neuen Aufgabe anzunehmen.“
Luzie Mucha | Beraterin in der Passgenauen Besetzung bei der IHK Köln und Mitarbeiterin der Initiative „Umsteigen “

Inhalt:

1. Welche Voraussetzungen müssen Studienaussteiger*innen für eine Verkürzung mitbringen?

2. Was muss ich als Unternehmen beim Verkürzungsantrag beachten?

3. Eine „Verkürzung“ auf null Monate? – Der direkte Weg zur Ausbildungs- und Fortbildungsprüfung

4. Die besonderen Regelungen der Handwerkskammern

Welche Voraussetzungen müssen Studienaussteiger*innen für eine Verkürzung mitbringen?

Generell gilt: Jede Ausbildung kann verkürzt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei sind die wichtigsten Faktoren für Studienaussteiger*innen der Schulabschluss und die bisherigen Studienleistungen.

Aufgrund der (Fach-)Hochschulreife, die viele Studienaussteiger*innen mitbringen, kann ihre Ausbildungszeit um bis zu 12 Monate verkürzt werden. Zusätzlich können Studierende, die mindestens 30 ECTS-Points aus einem ausbildungsverwandten Studium nachweisen können, um weitere sechs Monate verkürzen. Die dreijährige Berufsausbildung verkürzt sich damit auf 18 Monate, die dreieinhalbjährige Berufsausbildung auf 24 Monate.

Wer vor dem Studium eine duale Ausbildung abgeschlossen hat oder älter als 21 Jahre ist, hat ebenfalls die Möglichkeit um 12 Monate zu verkürzen.

Auch eine schulische Ausbildung kann Grund für eine Verkürzung sein. Ein Berufsgrundschuljahr (BGJ) oder eine Berufsfachschule können wie folgt angerechnet werden:

  • einjährige Berufsfachschule (BGJ): 6 oder 12 Monate
  • Zweijährige, zum mittleren Schulabschluss führende Berufsfachschulen: 6 oder 12 Monate
  • Mehrjährige zur Fachhochschulreife führende Berufsfachschulen: 6 oder 12 Monate
  • Mindestens dreijährige zum Abitur führende Berufsfachschulen: 12 oder 18 Monate

Dabei ist es unwichtig, ob die erste Ausbildung der nun angestrebten Ausbildung thematisch ähnlich ist oder nicht.

Verkürzungsgründe können auch kombiniert werden. Wichtig zu beachten ist hier, dass die Ausbildungsdauer dabei die im BBiG festgelegten Mindestzeiten nicht unterschreiten darf:

  • Regelausbildungszeit: 42 Monate | Mindestzeit: 24 Monate
  • Regelausbildungszeit: 36 Monate | Mindestzeit: 18 Monate
  • Regelausbildungszeit: 24 Monate | Mindestzeit: 12 Monate

Was muss ich als Unternehmen beim Verkürzungsantrag beachten?

Unternehmen und Auszubildende müssen die Verkürzung gemeinsam beantragen. Der Antrag sollte, wenn möglich bereits zu Beginn der Ausbildung gestellt werden – er kann aber auch währenddessen eingereicht werden. Er muss jedoch spätestens bis kurz vor Beginn des zweiten Ausbildungsjahres gestellt werden.

Das Vertragsmuster der IHKs beispielsweise sieht hierfür eigens ein Feld vor (“Es wird eine Anrechnung/Verkürzung von XX Monaten beantragt”). Bei minderjährigen Auszubildenden ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterinnen erforderlich. Die Antragstellerinnen müssen durch die Vorlage von Dokumenten glaubhaft machen, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht werden kann.

Auch wichtig zu beachten: Je nach Ausbildung und Berufsschule stehen gegebenenfalls nur eine Fachklasse mit z. B. zweijähriger Beschulung zur Verfügung.

Eine „Verkürzung“ auf null Monate? – Der direkte Weg zur Ausbildungs- und Fortbildungsprüfung

Für Studienaussteigerinnen bieten die Industrie- und Handelskammern außerdem eine noch schnellere Möglichkeit an, direkt ins Berufsleben einzusteigen: Die Teilnahme an Ausbildungs- und Fortbildungsprüfung ohne vorhergehende Berufsausbildung. Studienaussteigerinnen können so als „Externe“ zur IHK-Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn sie

  • 27 Monate in einem Fach studiert haben, das mit dem Ausbildungsberuf inhaltlich unmittelbar verbunden ist und
  • über 6 Monate ein fachbezogenes einschlägiges Praktikum oder eine Praxistätigkeit nachweisen können und
  • während des Studiums mindestens 60 ECTS-Points erworben haben.

Auch ein Fortbildungsabschluss (Fachwirt, Meister, Bilanzbuchhalter etc.) kommt für Studienaussteiger*innen in Frage, wenn sie bereits

  • 39 Monate Studium in einem Fach studiert haben, das mit der Fortbildungsprüfung inhaltlich unmittelbar verbunden ist und
  • ein 18-monatiges fachbezogenes Praktikum/eine Praxistätigkeit (ggf. auch schon während des Studiums) nachweisen können und
  • mindestens 120 ECTS-Points erbracht haben.

In beiden Fällen erfolgt die Zulassung nach einer Einzelfallprüfung aufgrund der fachbezogenen Studienleistungen, der praktischen Erfahrungen und gegebenenfalls einem Fachgespräch.

Die besonderen Regelungen der Handwerkskammern

Bei den Handwerkskammern gelten dieselben Regelungen wie bei der IHK in Bezug auf Verkürzung aufgrund von Schulabschluss, vorheriger dualer oder schulischer Ausbildung und Alter.

Im Gegensatz zu den IHK-Ausbildungsberufen, ist es bei handwerklichen Ausbildungen jedoch nicht möglich, eine Verkürzung aufgrund von Studienleistungen zu beantragen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Studienaussteiger*innen die meist fehlende Praxis im Beruf erlernen können, ohne die sie den praktischen Teil der Prüfung nicht bestehen würden.

Fachbezogene Praktikumszeiten können im Einzelfall aber als Zeiten einer Berufstätigkeit anerkannt werden.

Weitere Angebote:

Zusätzlich zu den bisher erläuterten Regeln, bieten viele IHKs und zahlreiche Projekte und Initiativen weitere Möglichkeiten für Studienaussteigerinnen an. Deshalb lohnt es sich, sich immer bei der zuständigen IHK oder HWK zu informieren.

Die IHK Köln bietet beispielsweise ein besonderes Programm für Studierende an, die im Master ihr Studium abbrechen: „Bei der IHK Köln gibt es das Programm ,Young Professional´, welches sich an Studienabsolventen richtet, die eine duale Ausbildung in den Berufen der Industrie und des Handels machen möchten. Das Besondere hierbei ist, dass die Ausbildung in der Hälfte der Zeit, z. B. 1,5 Jahre statt 3 durchlaufen wird und die Auszubildenden die doppelte Ausbildungsvergütung erhalten.“, erklärt Luzie Mucha, Beraterin in der Passgenauen Besetzung bei der IHK Köln und Mitarbeiterin der Initiative „Umsteigen “.

Das Projekt „Umsteigen“ aus Köln bietet nicht nur Studierenden, sondern vor allem auch Unternehmen Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten.

Im Raum Aachen gibt es das Projekt switch 2.0, das Studienaussteigerinnen im Bewerbungsverfahren um einen Ausbildungsplatz für eine duale Berufsausbildung in der Region Aachen unterstützt.

Und die IHK Bonn bietet mit dem Modellprojekt „Relaunch your Career“ ebenfalls zusätzliche Verkürzungsmöglichkeiten


Darüber hinaus bieten viele Industrie und Handels-, wie auch Handwerkskammern zusätzliche Möglichkeiten für Studienaussteiger*innen an. Informieren Sie sich am besten bei den Kammern in Ihrer Region!

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