„Wer will denn schon keine Millionen scheffeln?“

Was macht man, wenn man merkt, dass man sich für das falsche Studienfach entschieden hat? Nico stand während seines Jurastudiums genau vor diesem Problem.

Begonnen haben Nicos Zweifel schon nach dem Abitur: Sein Weg in das Studium startete nicht so, wie er es sich erhofft hatte. Aufgrund seiner sehr breit gefächerten Interessensgebiete fiel Nico die Studienwahl zunächst sehr schwer. Er bewarb sich erst einmal an mehreren Universitäten für viele unterschiedliche Fächer. Für seinen Favoriten – die Betriebswirtschaftslehre – wurde er leider nicht zugelassen, stattdessen aber für ein Jura-Studium in Bielefeld. Die Studienfrage hatte sich somit gelöst und Nico fing an Jura zu studieren. Zu Beginn gefiel ihm insbesondere die Grundthematik des Studiums sehr: Er hatte ein generelles Interesse an der Rechtswissenschaft und sah sich schon förmlich in dem Beruf.

„Wer will nicht wie im Film Rechtsanwalt werden und Millionen scheffeln?“

Nico fand sich anfangs gut zurecht. Die grundlegenden Themen Recht und Ethik gefielen ihm gut und er war regelrecht euphorisch, da alles wunderbar neu und aufregend war.

Als sich die erste Freude langsam legte und der Studienalltag einkehrte, fing Nico im 2. Semester an seine Studienwahl zu hinterfragen. Er verlor das Interesse an den Seminarthemen und hatte das Gefühl, er würde immer wieder das Gleiche machen. Allmählich merkte er, dass Jura nicht das ist, was er später machen will und dass ihn die größeren, übergeordneten Themengebiete nicht wirklich interessierten. Laut wurden die Zweifel, als mehrere renommierte Rechtsanwälte in den Kursen über ihren Berufsalltag berichteten. Diese teilten die Jurastudent*innen nach ihren Berufschancen in drei Personengruppen ein. Zunächst gäbe es diejenigen, die ihr Staatsexamen mit der Bestnote abschließen würden, aber keine Persönlichkeit haben. Diese, so wurde gesagt, würden später im Keller einer Anwaltskanzlei nur Paragraphen wälzen und nicht viel Geld verdienen. Des Weiteren gäbe es noch die Student*innen, die ihr Examen zwar ebenso vorbildlich abschließen würden, aber zudem über eine starke Persönlichkeit verfügen. Diese Personen hätten die besten Berufsaussichten, würden später gute Anwälte werden und würden auch dementsprechend gut verdienen. Zu guter Letzt gäbe es noch die Studierendengruppe, die ihr Staatsexamen nur mittelmäßig bis schlecht abschließen würden. Diese Gruppe habe kaum Chancen und sie könnten das Studium direkt beenden, da sie eh kein Geld verdienen würden. „Es wurde gesagt: Guckt nach rechts und guckt nach links, die meisten von euren Kommilitonen werdet ihr nicht wiedersehen.“

Diese Aussichten entmutigten Nico noch zusätzlich, weil er sich selbst in der dritten Personengruppe sah. Für ihn hat es ein Konkurrenzdenken vermittelt, welchem er sich nicht anschließen wollte. „Das hat einem einfach den Wind aus den Segeln genommen. Es war für mich sehr demotivierend, das zu hören.“

Für ihn ergab es ab diesem Moment keinen Sinn mehr, das Studium weiter zu durchlaufen: „Ich wollte das Risiko nicht eingehen nach so vielen Jahren Studium mit einem mittelmäßigen Staatsexamen dazustehen und keinen Job zu finden.“

„Es hat lange gedauert bis ich sagen konnte: ‚Mama, Papa, es ist doch nicht für mich. Ich mache etwas Anderes‘.“

Nico hatte mit seinen Zweifeln sehr zu kämpfen und es fiel ihm schwer sich einzugestehen, dass er nicht die richtige Wahl getroffen hatte und Jura nichts für ihn war. Die Zweifel in Worte zu fassen und laut auszusprechen war ungleich schwerer: „Es hat lange gedauert bis ich sagen konnte: ‚Mama, Papa, ich weiß, ihr wollt einen Rechtsanwalt in der Familie und ich habe gesagt, dass ich dieses Studium machen will, aber es ist doch nicht für mich. Ich mache etwas Anderes‘.“

Geholfen haben ihm in dieser schweren Zeit Gespräche mit seiner damaligen Freundin, da sie sich in einer sehr ähnlichen Situation befand und sie es somit gut nachempfinden konnte. Sie hat ihm den fehlenden Anstoß gegeben und ihm klar gemacht, dass Wechseln eine Option und kein Weltuntergang ist. So wurde Nico darin bestärkt, das zu machen was ihn wirklich interessiert und er zog einen Schlussstrich und brach Jura ab. Als er es seinen Eltern gesagt hat, fanden diese es im Endeffekt gar nicht so schlimm, wie er es immer vermutet hatte und haben ihn in seinem Wechsel bestärkt.

Nico hat im nächsten Schritt angefangen sich neu zu bewerben, wobei er dieses Mal einen anderen klaren Favoriten hatte: Sein jetziges Studienfach der Informationswissenschaft und Sprachtechnologie. Er konnte durch einen Freund, welcher dieses Studienfach bereits studierte, gut einschätzen, dass ihm die Studieninhalte auch durch das ganze Studium hindurch gefallen würden. Als Nico die Zusage für sein Traum-Studium an der Heinrich-Heine-Universität bekam, war er umso glücklicher. Jetzt ist er in den letzten Zügen seines Studiums und ist sehr zufrieden mit seiner Entscheidung zu wechseln. Die Studieninhalte interessieren ihn wirklich und er kann sich gut vorstellen, in diesem Feld zu arbeiten.

Anderen Studierenden, die in der gleichen Situation sind würde Nico raten, sich nicht so viel Zeit zu lassen, wie er es getan hat und zu versuchen sich schnell darüber klar zu werden, ob man das Fach studieren möchte oder nicht. Man sollte auch wissen, ob man gerade einfach nur in einer schwierigeren Situation ist und zum Beispiel Angst vor der nächsten großen Klausur hat oder ob man an seinem ganzen Studium im Generellen zweifelt.

„Man muss einschätzen können, ob es gerade nur ungemütlich ist oder ob man an seiner Studienwahl zweifelt.“

Er rät den Studierenden, die früh merken, dass sie in ihrem Studium nicht glücklich sind, direkt zu wechseln und nicht aus Stolz oder Ehrgeiz weiter zu machen. Trotzdem sieht er sein Jurastudium nicht als verlorene Zeit an, da er einige Inhalte mit seinem jetzigen Studium verknüpfen kann.

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